I. Pepperle u.a. (Hrsg.): Georg Herwegh: Briefe 1832–1848

Titel
Georg Herwegh: Briefe 1832–1848.


Herausgeber
Pepperle, Ingrid; Volker Giel, Heinz Pepperle, Norbert Rothe und Hendrik Stein
Erschienen
Bielefeld 2005: Aisthesis Verlag
Anzahl Seiten
466 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Martin Stohler

Das hier vorzustellende Buch mit Briefen aus den Jahren 1832–1848 ist Teil einer auf sechs Bände angelegten kritischen und kommentierten Gesamtausgabe von Herweghs Schriften. Ein Teil der in diesem Band versammelten Briefe zeigt uns Herwegh in Zürich, wo sich der vor der Wiedereinberufung ins Militär geflohene Poet zunächst eher schlecht als recht durchschlug. So schreibt er 1840 an den Schauspieler Wilhelm Gerstel: «An Deinen Schuhen ist auf einer Seite die Naht aufgetrennt, und heute flickt wohl kein Schuster. Meine eigenen Stiefel sind noch abwesend. Ich schäme mich recht gründlich, Dich um ein Paar Stiefel bitten zu müssen.»

Zahlreiche Briefe sind an seine Verlobte und spätere Ehefrau Emma Siegmund gerichtet, mit der sich Herwegh – inzwischen ein gefeierter Dichter – während einer Deutschland-Tournee 1842 verlobte. In ihnen ist von den persönlichen und politischen Plänen der beiden die Rede, von Georgs Verstimmung, wenn er zu lange auf einen Brief warten muss, und – von der Liebe. Kompliziert wird die Situation dadurch, dass Herwegh die Zürcher Aufenthaltsbewilligung entzogen wird, worauf das frisch vermählte Paar fürs Erste in die französische Metropole zieht.

Diverse Briefe sind denn auch in Paris abgefasst, wo Herwegh etwa mit Bakunin verkehrt oder mit der Schriftstellerin Marie d’Agoult, die er bei ihren Artikeln über die zeitgenössische deutsche Literatur berät. Zwischendurch zieht es Herwegh ans Meer. In Nizza beobachtet er mit Karl Vogt Krebse und Medusen. Diese Naturstudien, schreibt er später im Oktober 1847 an Emma, entspringen dem Bedürfnis «sinnlicher Anschauung, der Objectivität, der Ueberwindung des alten Dualismus von Natur und Geist, und (über Göthe hinaus) auch von Natur und Geschichte».

In jenen Jahren rechnet Herwegh wie mancher seiner Diskussionspartner mit einer Revolution. In der Schweiz erfolgte sie in Gestalt des Sonderbundkriegs von 1847 und der Bundesverfassung von 1848. Herwegh verfolgte die Ereignisse von Paris aus. Am 6. Dezember 1847 schreibt er Emma nach Berlin: «Die Schweizer Geschichten sind gut ausgefochten worden und Du musst sie nicht gar zu sehr über die Achsel ansehen. Der Urwirthschaft des Sonderbunds ist für immer ein Ende gemacht.»

Der Sturz des Bürgerkönigs und die Pariser Februarrevolution versetzen Herwegh in Begeisterung. Bei allem Enthusiasmus entgeht ihm aber nicht, dass weitere Auseinandersetzungen anstehen. So schreibt er am 27. Februar 1848 an Johann Jacoby: «(…) und doch trägt diese Revolution ein wesentliches sociales Gepräge, wie Ihr aus allen bisher erschienenen Ordonanzen ersehen könnt (…) Die Ausführung wird zum Theil andere Menschen erfordern, als das provisorische Gouvernement darbietet und auch nicht ohne Kampf und mancherlei Verwicklung durchgesetzt werden.»

Die Hoffnung, dass der revolutionäre Funke auch nach Deutschland überspringen könne, veranlasst Herwegh in der Folge, sich den Freischaren der Deutschen Demokratischen Legion als politischer Leiter zur Verfügung zu stellen. Mitte April 1848 schreibt er aus Strassburg an Johann Jacoby: «Ich mag die Republik nicht votieren lassen, sondern will sie zu machen suchen, sei’s auch im entferntesten Winkel Deutschlands. Einmal ein fait accompli, so nehmt Ihr sie doch alle an. Glückt’s nicht und kommt’s gar nicht zum Versuch, so geh ich hin, wo ich hergekommen, was ich auch tun würde, wenn’s glückte, denn von der deutschen Freiheit, auch in einer Republik hab ich keine gar grossen Begriffe.» Die Sache glückte bekanntlich nicht, und Emma und Georg Herwegh konnten froh sein, dass ihnen die Flucht über den Rhein in die Schweiz gelang.

Das Jahr 1848 bedeutete nicht nur für Georg Herwegh einen wichtigen Einschnitt, sondern auch für die europäische Geschichte. Wie Herwegh diesen Wendepunkt gedanklich verarbeitet hat, ist bisher nur zum Teil bekannt. Es bleibt abzuwarten, ob der Band mit den Briefen von 1849 bis 1875 hier neue Einsichten liefert.

Zitierweise:
Martin Stohler: Rezension zu: Georg Herwegh: Briefe 1832–1848. Band 5 der von Ingrid Pepperle besorgten kritischen und kommentierten Gesamtausgabe. Bielefeld, Aisthesis Verlag, 2005. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 3, 2006, S. 370-371.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 3, 2006, S. 370-371.

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